Texte aus Griechenland

Blätter

Michael Krämer


Fundworte

Noch kratzen die

Zikaden ein

tönig Lied

Welle um Welle

rauscht es heran

unter dunstigem

Schleier

Bald wird sich

öffnen des

Himmels Schwärze des

Meeres

stummem Wechsel

gesang von Flut

und

Gestirn -


Zeitverlust

Backhaus Waschhaus Küche

Plattenfundamente eingebrochen

die Eckmauer steht noch

da

zwischen

den Steinen verloren

Duft von Brot

Die Rundtürme stinken

nach Pisse

Das Meer leuchtet die

Berge herbei mit

blinkenden Lampen

Zum Wohnen gabs

keine Steine

Laubhütten die alten

Fotos alles

verweht

Die letzten Frauen

sterben gerade verloschen

die Lichter im

Wald

Niemand weiß mehr...

aber die Steine -

Das Kloster

hat nie einem Mönch gesehen

Heiliger Ort wars doch

und Zuflucht in alter Zeit

Die Kirche darin mit dem

Namen Mariens Allheilige

Panhagia

Die beiden mächtigen

Zypressen vorm Tor

sind die Bäume der

Aphrodite

Beim Dorffest tanzen

die Frauen die Männer

sitzen und trinken und träumen

von der Göttin

der Liebe -


Das Bild eines Baumes

an den Ölbaum genagelt

an den Baum genagelt

ein Mensch und

ein Zeichen

INBI

Hinterm Glas

göttliches Gold

gemalt

Hinterm Ölbaum

Luft Land Meer

im Goldglanz einer

untergehenden

Sonne -


Schriftzeichen keine die

Spur des zeichenlos

schabenden Meißels im

Marmor

Die diese Platten bargen

keine Knochen kein Rest

nichts

mehr

Alte Worte welcher Sprache

Trauer wohl - damals -

versiegt versickert verflogen

Dass etwas spricht

hier

jetzt -


Das Meer hemmt die Fahrt

der Segler

Schweigend das Land und

die Blätter des Ölbaums

stumm

Lautlos lecken die Wellen

am Fels die

Sonne steht im Zenith

Das ist die Stunde aber

der große Pan ist tot

Die Segler werfen den Hilfsmotor an

Vom Tal her ein ratternder

Traktor zerschlagen die

Heilige Stille -


Kleine südliche Mythologie

Die Sonne schläft im Meer

Der Mond wächst in den Bäumen

Die Sterne sind der Himmelssand

Die Steine tanzen mit dem Wind

Die Wolken sprechen Donnerworte

Die Bäume singen leis im Hain

Und die Zypresse liebt den Himmel

wie der Wind den Stein

Der Wellen Schlag weiß Zukunftsfluss

Und Vögel kennen jede Zeit

Des Menschen Auge ist ein Kuss

Das Ohr träumt in die Dunkelheit

Und Menschenmund

sagt Welt herbei -


Zwischen den Wolken

teilt sich die Sonne

Ein roter Tropfen überm

Berg

Das Meer blutet ein

Ölig schwappen Wellen

zum Strand

Mauersegler zersäbeln den

Himmel

Die erste Fledermaus

holt flatternd die

Nacht vom

Himmel und der

Polarstern sucht sich

ein suchendes

Auge -


Dort

Zeitansage hier

Wunsch und

Segen

Guten Abend

Kalispera

Die Nacht aber

braucht

den schützenden Wunsch

hier wie

dort -


Der alte Diesel

spielt Schlagzeug

Rhythmuswechsel mit

jedem Takt

Darüber das

leise Sax der Zikaden

Die Wellen geben den

Chor

Ein Wind verfehlt seinen

Einsatz und greift

nach der Harfe

Der Olivenhain

rauscht

Menschenleer swingt

sich der Tag

in die

Nacht -


Wie dieser

Olivenbaum mit zwei

ineinander verwundenen

Stämmen und oben

gebreiteten Armen

Seit mehr als dreihundert

Jahren Trotz

Sturm Hitze Trockenheit

Und glänzen immer

noch Wer

das wollen wollte

in heutiger Zeit den

holte

der

Therapeut -


Ein schmeichelndes

Muttertier ist die

Hand

Wenigstens die Katze

hats gemerkt

und tritt nach

Milch

vergeblich -


Die Verwunderung

eines griechischen Landbewohners

über

die Verwunderung

eines deutschen Städtebewohners

über

die Anwesenheit von

allerlei Getier

Nachts gibt es viele Fledermäuse

Ja chat

Und wirklich Eulen

Ja chat

Und auch Schlangen -

Ja chat zwei Meter

Und Ratten - große Problem -


Mikra

Ein Lichtfinger

tastet schreibt in den

Rauch der Küste den

Regen

bogen

Unterm Wolken

gedröhn steigt

die Insel als goldenes

Schiff aus den

Wellen

Schwarzer Sturm

es tönt nach

Ende -


Das ferne Land

leuchtet

Himmlische Bläue

langsam

herübergewachsen

Die ersten Vögel

Ein Taubenpaar

fliegt an und

verharrt

Noch

wartet

Noah -


Herbst Trikeri

Ausgebrannt

das Land

dürres Gras darüber

das ewig schimmernde

Ölblatt

Verstummt die Zikaden

Die Schwalben davon

Die ersten Stürme

Die Türen am Hafen

mit Brettern

vernagelt

Menschen verlassen

die Insel am Kai einsam

ein altes Paar das

winkt -


Woher

all die Worte

ganz

ohne Aufruhr und

Angst

Dass die Sonne den

Mund füllt und

der Wind

spricht zu den Ohren

war

einmal

der Musen singender

Gegenwart

Zeichen -


Die Krähen schreien den

Abschied

Ende dieses Sommers

(Natürlich der Brücken

bogen die Münze und

der Trost

genau dieser alten

Ölbäume

und die Zunge schwirren Flugs und

Haus und

keines mehr

am Ende sogar)

Man weiß ja

Aber die Möwen lachen höhnisch und

erschrecken den Wanderer

und die Krähen rufen den

Konjunktiv

wär wär

Nur diese eine

noch mit alten weißen Flecken

gesegnet

kennt den alten Ruf

Oh wär oh währ

Währ -


ERINNERN

GLEICHZEIT

JETZT


Vergessen ist

grün

Das Erinnern der Steine

verwuchert von

Wurzeln und Weihrauch

Die Neuschrift der

Flechten weiß nichts

als sich

selbst –


Als wehte

der Wind  Wörter

aus den

Olivenbäumen

Alles lauscht

Sogar das Meer

hört auf

mit sich zu

plaudern

Nichts für die

Ohren

Schriftzeichen

bloß

lesbar –


Das treiben die

Sterne

Kaum weg

geschaut sind sie

verschwunden

Dem wiederkehrenden

Blick fehlt erst

einer dann

alle

Bleibt das schwarze

Chaos

Nacht –


Keine Bedingung

keine Begründung keine

Gegensätze

kein was

folge

los

Erinnern

Gleichzeit

Jetzt –


Beweis

Diese Sternschnuppe

hast du

nach mir

geworfen

und ich sollte

mir

nichts

wünschen –


Im Garten

Eden

Aus den Wasserhähnen

fließt

Milch

Honig

süßen Kaffee

verschenkt der Minimarkt

Fische fliegen

an Land und

freuen sich auf den

Grill

Mücken summen

nächtlich die

Odyssee

in allerlei

Ohren

Auch Sterne gibt es

ganz

kostenlos

Und vorsichtshalber

Stacheldraht

um diesen und jenen

Baum –


Becken

Streicher Brandung

Sandgeflüster Stern

gesang

Die Felsen haben keine

Meinung

Kiesel klacken

Nullen

zum Meer

Im Wegstaub die

unleserliche Schrift des

Windes

Nichts

zählt -


Tag mit Schmetterling

Heute morgen

der weiße

Falter mit Engels

füßen und

dunklem Streif

Trunkener Windfreund

psichi sou

Von Blatt zu Blüte

und Blatt

Schmetterling der

Blumenbekränzten

rufen sie Ewigkeiten

zu

Eleni

und du bist

verweht am

Abend -


Nächtlich

Auf dem Meer

die Boote sind

schwimmende Baum

spitzen darüber die

Sterne spiegeln sich

nicht

Licht

spur schnell

von oben

und du

sagst

und irgendwann

sind wir

einfach

tot -


Nicht Tränen

Hand und Mund

wachsen der Toten

zu

So viel

Nähe

Und Worte vom

Leben makaria

Blumen

besäte Hoch

zeit der

Bräutigam

und seine

Sense hat er

gelegt ins dürre Gestrüpp

Nichts zu

erschrecken –


Es dreht sich

Spiralnebel

die Kreise im Wasser

vom Stein die

Stürme die

Erde

schwindlig

die Augen bedeckt

den Rücken dem

was war zu

gewandt

wendig

Sonne Mond und

Sterne alles

im Kreis –


Hagia Sophia

Grundmauern Muster

im Meer eine

geborstene Säule

Das Wasser hat sich

die

Weisheit wieder

geholt

Heilig fressen die

Wellen seither

gottloses Land

Die Worte der Landbewohner

sprechen darüber den

Segen

Heilige

Weisheit –


Das Kreuz

im Mörtel der

den Schlussstein

bindet

Gott Kirche

Müh

tollogie

glaub ich nicht

sagt der Hausbesitzer

lässt aus Albanien

einen Moslem

ritzen den

Segen –


Voll

Mond

Jetzt

wird sich alles

ändern

sagt die

Wetterfrau –


Mythisches Verstehen

Mittags

gleißendes Licht zwischen

Olivenbäumen

bergan

durch die Macchia

zum kleinen Plateau mit

dem Felsen

Ruhe – aber

die Zigarettenschachtel

verschwunden

das war er wieder

der bocksfüßige

ziegenköpfige

Pan

Jetzt

raucht er auch noch

deswegen also die

Buschbrände

immer wieder immer

mittags –


Vom Nutzen

I.

Vom Nutzen des

Wassers

Es löst die

Welt

an den

Rändern

es spricht mit

sich

es wartet

es fließt

auch gegen die

Schwerkraft –


II.

Vom Nutzen der

Steine

Sie weinen

nicht sie schlafen

nicht sie lachen

nicht sie sind

Und wissen nicht

was –


III.

Vom Nutzen der

Bäume

Sie wachsen

Sie blühen

Sie sterben –


IV.

Vom Nutzen

Er ist

nicht –